Im Vergleich zu anderen unserer Produkte aus Südamerika, ist Gin eine ursprünglich europäische Spirituose. Daher ist sie auch sehr eindeutig in der EU-Gesetzgebung definiert, und zwar in der "VERORDNUNG (EU) 2019/787 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 17. April 2019 über die Begriffsbestimmung, Bezeichnung, Aufmachung und Kennzeichnung von Spirituosen, die Verwendung der Bezeichnungen von Spirituosen bei der Aufmachung und Kennzeichnung von anderen Lebensmitteln, den Schutz geografischer Angaben für Spirituosen und die Verwendung von Ethylalkohol und Destillaten landwirtschaftlichen Ursprungs in alkoholischen Getränken sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 110/2008" - oder einfach Spirituosenverordnung.
In Anhang 1 sind drei verschiedene Arten von Gin mitsamt ihrer Definitionen aufgeführt, die wir hier aufgrund Ihrer Kürze im Originaltext wiedergeben und anschließend kurz einordnen.
"a) Gin ist eine Spirituose mit Wacholder, die durch Aromatisieren von Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs mit Wacholderbeeren (Juniperus communis L.) hergestellt wird.
b) Der Mindestalkoholgehalt von Gin beträgt 37,5 % vol.
c) Bei der Herstellung von Gin dürfen nur Aromastoffe oder Aromaextrakte oder beides verwendet werden, wobei der Geschmack nach Wacholder vorherrschend bleiben muss.
d) Die Bezeichnung „Gin“ darf durch den Begriff „dry“ ergänzt werden, wenn der Gehalt der Spirituose an zugesetzten süßenden Erzeugnissen nicht mehr als 0,1 g süßenden Erzeugnissen je Liter des Fertigerzeugnisses, ausgedrückt als Invertzucker, beträgt."
Klingt zu kurz für eine EU-Richtlinie? Stimmt - denn natürlich sind die einzelnen verwendeten Worte auch nochmal extra definiert. Alleine der Begriff Spirituose umfasst einen eigenen Artikel, in dem nicht nur zulässige Herstellungsverfahren beschrieben werden, sondern wiederum auf eine ganze Reihe anderer EU-Vorschriften verwiesen wird (z.B. zu den Themen Wasser, Aromen, Farbstoffe, etc.). Darauf vollständig im Detail einzugehen, würde den Rahmen sprengen, aber wir werden einige Punkte im weiteren Verlauf noch aufgreifen.
Nichtsdestotrotz sind die Vorgaben für einen Gin vergleichsweise sehr rudimentär und man kann sich sehr einfach und schnell zu Hause selber einen Gin herstellen: Man nehme einfach einen billigen Wodka aus dem Supermarkt (der ja bereits die EU-Anforderungen an eine Spirituose erfüllt und auf den bereits Verbrauchssteuer gemäß Alkoholsteuergesetz entrichtet wurde), gießt ihn in seine Badewanne und legt Wacholderbeeren rein (das Mazerieren), bis der Wodka nach Wacholder schmeckt und so zum Gin wird. Dann noch schnell Zucker dazu und man hat zwar keinen "dry Gin", aber der Geschmack wird gefälliger.
Das dürfte man zwar aus lebensmittelhygienischen Gründen so nicht einfach in Verkehr bringen, die Anforderungen der Spirituosenverordnung an Gin erfüllt das Vorgehen aber. Mit einem etwas kontrollierteren Verfahren, neutralem industriellen Basis-Alkohol und verschiedenen Botanicals, wie zum Beispiel Koriandersamen und Zitrusfrüchten (welche aus aromatischen Gründen häufig bei der Herstellung von Gin verwendet werden) kann man auch durchaus einen trinkbaren Gin herstellen. Nun muss man aber nicht mal echte Koriandersamen und Zitrusfrüchte nehmen - man kann auch einfach auf Aromastoffe und Aromaextrakte zurückgreifen, welche wieder sehr ausgiebig in einer anderen EU-Vorschrift beschrieben sind (VERORDNUNG (EG) Nr. 1334/2008 ... über Aromen und bestimmte Lebensmittelzutaten mit Aromaeigenschaften zur Verwendung in und auf Lebensmitteln ... - falls es jemand ganz genau wissen möchte). Explizit eingeschlossen sind durch chemische Synthese hergestellte Aromastoffe, also künstliche Aromen.
In Anlehnung an die wirklich in der Vergangenheit verwendete Badewanne, heißen solche Gins auch Bathtub Gin und sind auch heute noch auf dem Markt zu finden, auch wenn die wenigsten Hersteller mit dem Verfahren wirklich Werbung machen.
Die nächste Kategorie stellt schon etwas höhere Anforderungen an die Herstellung:
"a) Destillierter Gin ist eine der folgenden Spirituosen:
i) eine Spirituose mit Wacholder, die ausschließlich durch Destillation von Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs mit einem ursprünglichen Alkoholgehalt von mindestens 96 % vol unter Zusetzen von Wacholderbeeren (Juniperus communis L.) und anderen natürlichen pflanzlichen Stoffen hergestellt wird, wobei der Wacholdergeschmack vorherrschend bleiben muss;
ii) eine Kombination aus dem so gewonnenen Destillat und Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs der gleichen Zusammensetzung und Reinheit und mit gleichem Alkoholgehalt; zur Aromatisierung von destilliertem Gin dürfen auch Aromastoffe oder Aromaextrakte oder beide gemäß Kategorie 20 Buchstabe c verwendet werden.
b) Der Mindestalkoholgehalt von destilliertem Gin beträgt 37,5 % vol.
c) Gin, der durch einen einfachen Zusatz von Essenzen oder Aromen zu Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs hergestellt wird, gilt nicht als destillierter Gin.
d) Die Bezeichnung „Destillierter Gin“ darf durch den Begriff „dry“ ergänzt werden oder diesen enthalten, wenn der Gehalt der Spirituose an zugesetzten süßenden Erzeugnissen nicht mehr als 0,1 g süßenden Erzeugnissen je Liter des Fertigerzeugnisses, ausgedrückt als Invertzucker, beträgt."
Viel entscheidender als die Vorgabe, dass der Basis-Alkohol 96% vol aufweisen muss - also keine Flasche Wodka aus dem Supermarkt mehr funktioniert - ist die notwendige Destillation, wofür sich wiederum verschiedene Methoden durchgesetzt haben. Zum einen ist das die Mazeration, also genau das Einlegen von Gewürzen und Kräutern in Alkohol, was wir schon beim Bathtub Gin beschrieben haben, nur mit dem Unterschied, dass der so aromatisierte Alkohol in dieser Kategorie im Anschluss nochmal destilliert werden muss. Wenn die Mazerationslösung erwärmt wird, spricht man übrigens von einer Digestion. Ein anderes Verfahren, welches seltener verwendet wird, ist die sogenannte Dampfinfusion. Hierbei wird der neutrale Alkohol noch einmal destilliert, die Dämpfe werden jedoch über die ausgewählten Botanicals geleitet, um so deren Aromen anzunehmen. Manchmal wird dies auch als Perkolation beschrieben, wobei das technisch nicht exakt ist, da eine Perkolation bedeutet, dass die Botanicals vom flüssigen Alkohol-Wasser-Gemisch durchdrungen werden und nicht vom Dampf.
Die Destillation kann dabei sowohl in eher handwerklichen und aufwendigeren, nicht kontinuierlichen-Verfahren durchgeführt werden, oder aber industriell in riesigen, kontinuierlich betriebenen Destillationskolonnen mit viel größerem Durchsatz. Bei den diskontinuierlichen Verfahren (Kessel mit Mazerat füllen, heizen, Destillat auffangen, Vorlauf und Nachlauf entsorgen, Kessel entleeren und reinigen) bleiben üblicherweise mehr charaktersitische Aromen und Geschmacksträger im Destillat enthalten, wohingegen das Ergebnis der kontinuierlichen Destillation (ständiger Zulauf von Mazerat bei ständigem Ablauf des Endproduktes ohne Produktionsstopp oder Verluste) eher zu neutralem Geschmack und Aroma führt. Das liegt aber nicht zwingend am Verfahren an sich, sondern eher an dem allgemeinen Fokus auf Ertragsoptimierung, der eher in industrieller Produktion vorherrscht, als bei der kleinen Familienbrennerei. Auch dieses Thema ist natürlich vielseitiger und deutlich komplexer, als wir es hier darstellen können, hierzu kann man aber im Internet relativ leicht weitere Informationen finden - deshalb beschränken wir uns in unserem Text weiter auf die Kategorien von Gin.
Auch in der Kategorie Destillierter Gin ist die Aromatisierung mit Aromastoffen und Aromaextrakten sowie die Zugabe von Farbstoffen und Zucker erlaubt.
Mit weiteren Einschränkungen und Vorgaben kommen wir zur letzten Kategorie, welche die strengsten Mindestanforderungen stellt:
"a) London Gin ist ein destillierter Gin, der folgende Anforderungen erfüllt:
i) Er wird ausschließlich aus Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs hergestellt und weist einen Methanolgehalt von höchstens 5 g/hl r. A. auf; sein Aroma wird ausschließlich durch die Destillation von Ethylalkohol unter Zusatz aller verwendeten natürlichen pflanzlichen Stoffe erzeugt;
ii) der Mindestalkoholgehalt des hieraus gewonnenen Destillats beträgt 70 % vol;
iii) jeder weitere zugesetzte Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs muss den in Artikel 5 aufgeführten Anforderungen entsprechen, allerdings einen Methanolgehalt von höchstens 5 g/hl r. A. aufweisen;
iv) er ist nicht gefärbt;
v) er darf nicht mit mehr als 0,1 g süßenden Erzeugnissen je Liter des Fertigerzeugnisses, ausgedrückt als Invertzucker, gesüßt werden;
vi) er enthält keine anderen Zutaten als die Zutaten gemäß den Ziffern i, iii und v sowie Wasser.
b) Der Mindestalkoholgehalt von London Gin beträgt 37,5 % vol.
c) Die Bezeichnung „London Gin“ darf durch den Begriff „dry“ ergänzt werden oder ihn enthalten."
Aufbauend auf allen Vorgaben für den destillierten Gin, wird beim London Gin noch festgelegt, dass der Basis-Alkohol einen geringen Methanolgehalt aufweisen muss, also Qualitativ höherwertig sein muss. Allerdings muss man auch festhalten, dass im Grunde inzwischen alle marktverfügbaren Basis-Alkohole weit unter dieser Methanolobergrenze liegen, die Vorgabe also in der Praxis fast keine Rolle mehr spielt. Der wirkliche Unterschied zu den vorherigen Arten liegt aber im zweiten Halbsatz von a) i). Es sind ausschließlich natürliche, pflanzliche Stoffe zur Aromatisierung zugelassen und zudem dürfen diese auch nicht mehr nach der Destillation zur Aromatisierung zugegeben werden, sondern nur davor (Mazeration /Digestion) oder währenddessen (Dampfinfusion). Darüber hinaus sind auch keine Farbstoffe erlaubt und die mögliche Zugabe von Zucker ist stark reduziert auf unter 0,1g pro Liter, so dass ein London Gin automatisch immer auch ein Dry Gin ist.
Allerdings gibt es auch hier keine weitere Einschränkung zum Destillationsverfahren selber, so dass man kleine handwerklich hergestellte Produkte in der Kategorie genau so finden kann, wie die Ergebnisse einer großindustriellen Produktion, ohne dass man es zwingend an der Bezeichnung oder Beschreibung erkennen kann.
Sowieso sind diese Beschreibungen nur Mindestanforderungen und niemand verpflichtet Hersteller überhaupt, z.B. den Zusatz "dry" auf seinem Produkt zu benennen, selbst wenn er gar keinen Zucker zusetzt. Es macht also Sinn, sich bei Interesse detaillierter über die Herstellungsweise seines ausgewählten Gins zu informieren, denn die vorgestellten Kategorien können bei den wirklich entscheidenden Qualitätskriterien auch nicht weiterhelfen.