Was ist eigentlich Pisco?

 

Es ist ein Phänomen: Fast jeder Cocktail-Liebhaber hat schon mal einen Pisco Sour getrunken und doch wissen die Wenigsten überhaupt, um was es sich bei dem Begriff Pisco und der dahinter stehenden Spirituose handelt.

Zunächst muss man nämlich festhalten, dass „Pisco“ schlicht eine geschützte Ursprungsbezeichnung aus Chile und Peru ist, und gar keine Spirituosenkategorie.

Dass beide Länder im ewigen Clinch darüber liegen, wer’s erfunden hat, und wie man dem jeweils anderen die Nutzung der Bezeichnung für seine Spirituose erschweren kann, hilft uns als Genießer aber nicht weiter. Wenn man sich daher die Herstellungsvorschriften beider Länder anschaut und berücksichtigt, wie Pisco auch die drei Jahrhunderte vor der Ursprungsbezeichnung hergestellt wurde, findet man eine klar definierende Gemeinsamkeit: Pisco ist ein Destillat aus vergorenen Weinbeeren - also den Früchten, die trauben- bzw. eigentlich rispenförmig an Weinreben wachsen und umgangssprachlich auch häufig Weintrauben genannt werden.

Er unterscheidet sich von Grappa und anderem Tresterbrand dadurch, dass nur der Most, also der Saft der Weinbeeren, fermentiert wird und nicht der Trester – also Schalen und Kerne, welche nach dem Auspressen der Weinbeeren übrig bleiben. Von Branntwein oder Weinbrand unterscheidet sich Pisco aufgrund nur sehr weniger technischer Einzelheiten. Im Gegensatz zu dem bei europäischem Weinbrand häufig dominierenden Einfluss der Holzfasslagerung, ist bei Pisco aber ein viel frischeres und fruchtigeres Profil üblich.

 

 

Regularien in Chile und Peru

 

Steigen wir etwas tiefer in die Regularien Perus und Chiles ein: In Chile regelt die "Fija Reglamento de la Denominación de Origen Pisco" in aktueller Fassung von 2009 die Herkunft und Herstellung von Pisco, in Peru übernimmt dies die Norma Técnica Peruana 211.001 von 2006, die jedoch durch einige weitere Bestimmungen zur Herstellung und Herkunft von peruanischem Pisco ergänzt wird. Das "Reglamento de la Denominación de Origen Pisco" bietet eine gute und recht umfassende Zusammengefassung in einem einzigen Dokument.

Und nicht nur die Namen der Vorschriften sind fast identisch, auch im Inhalt gibt es viele Übereinstimmungen. Beide schreiben gleichermaßen vor, dass Pisco (im jeweiligen Geltungsbereich)

  1. ein Destillat aus Traubenmost bzw. Wein,
  2. hergestellt aus bestimmten Rebsorten
  3. aus bestimmten Regionen

sein muss.

Bei den erlaubten Rebsorten in Chile handelt es sich um zehn Unterarten des Moscatel sowie Pedro Jimenéz, Torontel und Chaselas Musque Vrai (hier als "Gutedel" bekannt), während in Peru alle Moscatel-Sorten zugelassen sind und darüber hinaus noch Quebranta, Negra Criolla, Mollar, Italia, Albilla, Uvina und auch Torontel verwendet werden dürfen. In beiden Ländern ist die Mazeration von Schalen der Weinbeeren zur Intensivierung des Aromas im Most erlaubt aber nicht vorgeschrieben.

Sowohl in Chile als auch Peru ist eine diskontinuierliche Destillation in einer Alambique oder vergleichbar vorgeschrieben, wobei Vor- und Nachlauf abgetrennt werden. Dabei darf dem Destillat in Peru kein Wasser zugegeben werden, wohingegen es in Chile erlaubt und üblich ist, den Nachlauf großzügiger, also früher abzutrennen und so das "reinere", aber hochprozentigere Destillat zu erhalten, welches dann mit Wasser auf Trinkstärke verdünnt wird. Auf einige Vor- und Nachteile der verschiedenen Destillationsverfahren und insbesondere des Einsatzes von Kühlern mit Zwischenböden, gehen wir bei der Beschreibung der Herstellung des Pisco MalPaso im Detail ein.

Der Unterschied bei den Bestimmungen zur Lagerung macht potentiell den größten Geschmacksunterschied zwischen chilenischen und peruanischen Piscos aus. Peruanischer Pisco muss mindestens drei Monate lagern, chilenischer Pisco mindestens 60 Tage. Allerdings ist in Peru nur die Lagerung in  einem, den Geschmack nicht beeinflussenden Gefäß gestattet, während in Chile explizit auch Holzfässer zugelassen sind. So können in Chile auch aromatisch ganz andere Piscos entstehen, die nach jahre- oder gar jahrzehntelanger Lagerung viel mehr mit einem alten Cognac gemein haben, als mit einem jungen Pisco. Erkennen kann man lange gelagerte chilenische Piscos an der Zusatzbezeichnung "guarda" (nach 180 Tagen im Holzfass) oder "envejecido" (nach 360 Tagen im Holzfass), wobei die Bezeichnung auch nicht verpflichtend ist.

Leider gibt es neben den beiden Bezeichnungen für länger gelagerten Pisco in Chile noch eine andere Klassifizierung, deren Begrifflichkeit fürchterlich missverständlich ist. Lediglich nach Alkoholgehalt wird unterschieden zwischen:

Tradicional ab 30% vol (auch als Corriente bezeichnet)
Especial ab 35% vol
Reservado ab 40% vol
Gran ab 43% vol

 

Bei den meisten chemischen Grenzwerten (flüchtige Säuren, Furfural, Methanol, etc.) liegen Chile und Peru wieder recht eng beieinander, wobei in der Praxis alle uns bekannten Produkte eh weit unter den erlaubten Grenzwerten liegen. Aufgrund der unterschiedlichen Vorschriften zur Destillation und der daraus folgenden höheren Reinheit der Destillate in Chile sind die gesetzlich erlaubten Höchstwerte für Fuselalkohole, die gemeinhin als Auslöser für Kopfschmerzen und einen ausgeprägten Kater angesehen werden, auch unterschiedlich. Während in Peru bis zu 3,5 Gramm pro Liter an Butanolen, Propanolen, etc. im Pisco erlaubt sind, zieht Chile die Grenze per Gesetz schon bei 1,5g/l.

Auf der anderen Seite untersagt die peruanische Gesetzgebung aber den Einsatz von Fremdstoffen wie Aromen, Farbstoffen oder Süßungsmitteln strickt, während Chile hier deutlich weniger streng ist und selbst einen Zuckerzusatz von bis zu 5 Gramm pro Liter erlaubt. Natürlich verzichten die Hersteller handwerklicher Piscos auch in Chile darauf.

 

 

Herkunft

 

Die Herkunft der Spirituose ist recht schnell erzählt: Der spanische Eroberer Hernán Cortés hat 1522 die ersten spanischen Weinreben auf den amerikanischen Kontinent gebracht, in seinem Vizekönigreich Neuspanien (heute Mexiko) angebaut und frischen Messwein hergestellt. Gegen Ende der 1540er Jahre sind spanische Weinreben in das Vizekönigreich Neukastilien und damit auch in das Gebiet des heutigen Chiles, Perus, Boliviens und Argentiniens gelangt und wurden dort angebaut. Die dort erste dokumentierte Weinlese, von der wir heute wissen, fand 1551 in Copiapó, im Süden der Region Atacama im heutigen Chile durch Francisco de Aguirre statt. Ohne großen Zeitverzug wurden auch die ersten Destillierapparate in die spanischen Kolonien verschifft und der lokal angebaute Wein wurde destilliert und zum Teil sogar zurück nach Europa transportiert. Wann und wo genau die erste Destillation von Wein auf dem Kontinent stattfand und wo genau dieser Wein angebaut wurde, ist heute ungeklärt. Innerhalb weniger Jahre hat sich der Weinbau und die Destillation aber bereits auf fast sämtliche geeignete Flächen des faktisch kontrollierten Kolonialreiches erstreckt.

Die Herkunft des Namens "Pisco" ist auch relativ gesichert und man kann davon ausgehen, dass sie von dem Quechua-Wort "Pisqu" stammt, was in seiner nicht vulgären Bedeutung "Vogel" heißt. Sowohl die Hafenstadt, über die damals Wein und Wein-Destillate von den Spaniern exportiert wurden, als auch die länglichen Ton-Amphoren, in denen diese Destillate mitunter transportiert wurden, wurden auch "Pisco" bzw. "Piscu" genannt. Die Hafenstadt heißt übrigens immer noch "Pisco" und liegt im heutigen Peru. Die chilenische Stadt "Pisco del Elqui" hieß zwischen 1873 und 1936 noch "La Unión", davor "La Greda", und ist erst 1936 mit marktwirtschaftlichem Interesse, im Hinblick auf die 1931 in Chile erlassene geschützte Ursprungsbezeichnung für Pisco (übrigens die erste des Kontinents) so genannt worden.

Wann genau und wo genau aber nun das erste Mal das Wort "Pisco" für die aus Weinbeeren hergestellte Spirituose genutzt wurde ist unklar und wird es vermutlich auch bleiben, da aus dem 16. Jahrhundert weder viele Augenzeugen übrig, noch viele Schriften erhalten geblieben sind. Nun sollte man meinen, dass es doch eigentlich egal sei, aber leider ist es das den beiden beteiligten Ländern nicht. Seit Jahrzehnten wird ein erbitterter Streit um den Ursprung von Pisco und die damit verbundenen Rechte zur Benutzung der Bezeichnung geführt. Dies führt zu Kuriositäten, dass z.B. in Mexico, Japan und Australien nur Pisco aus Chile so heißen darf, in Ecuador, dem Iran und Nordkorea nur solcher aus Peru. Die meisten Länder, inklusive den Mitgliedsstaaten der EU, den USA und auch China, akzeptieren die Bezeichnung Pisco für Spirituosen aber glücklicherweise aus beiden Ländern.

Die ältesten Quellen, von denen wir wissen, mit denen die erste Verwendung des Namens für Weinbrand belegt werden soll sind ein peruanisches Dokument von 1764, indem ein peruanischer "aguardiente de uva" (Destillat aus Weinbeeren) als Pisco bezeichnet wurde - sowie ein chilenisches Dokument von 1717, in dem eben ein chilenischer Weinbrand "Pisco" genannt wird. So oder so... beides Jahrzehnte, nachdem dort unten das erste Mal hergestellt wurde, was wir heute als Pisco bezeichnen.

 

Bei dem ganzen Zwist zwischen Peru und Chile gerät gerade international manchmal in Vergessenheit, dass z.B. auch in Argentinien noch Pisco hergestellt und unter dem Namen verkauft wird und in Bolivien unter dem Namen "Singani" eine im Grunde identische Spirituose produziert wird. Wenn das alles überall Pisco heißen dürfte, wüsste der Verbraucher vielleicht leichter, woran er ist. Der letzte Versuch der chilenischen Seite letztes Jahr (2019), zu einer Einigung zu kommen, und die Bezeichnung Pisco gegenseitig zu akzeptieren, wurde leider von Peru abgelehnt.

 

So oder so sollte die Ursprungsdiskussion für uns Genießer keine Rolle spielen. Alle uns bekannten Vorurteile gegenüber dem einen oder anderen Herkunftsland beruhen lediglich auf Ideologie oder Unkenntnis. In Chile und Peru wird Pisco mit vielen verschiedenen geschmacklichen Nuancen hergestellt. Darunter billige, eher industriell hergestellte Produkte für den Massenmarkt und tolle handwerkliche Produkte für Connaisseure. Mit dem Pisco MalPaso haben wir nach anderthalb Jahren intensiver Suche genau so einen Pisco in Chile gefunden und natürlich gleich nach Deutschland geholt, um die Auswahl hier zu bereichern. Aus einem alten Familienbetrieb, mit unfassbar viel Liebe zum Detail und kompromisslosem Qualitätsanspruch - natürlich ohne Zugabe von Zucker oder Zusatzstoffen - ist der MalPaso meilenweit von dem entfernt, was viele aus Deutschlands Supermarkregalen bisher kennen.

In einem weiteren Beitrag gehen wir auch ganz detailliert auf die Herstellung des Pisco MalPaso ein, damit mehr Transparenz in die Diskussionen kommt.

 

 

Bezeichnung in der EU

 

Zum Abschluss nochmal schnell ein Ausflug in europäische Regularien, denn hier gilt die "VERORDNUNG (EU) 2019/787 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 17. April 2019 über die Begriffsbestimmung, Bezeichnung, Aufmachung und Kennzeichnung von Spirituosen, die Verwendung der Bezeichnungen von Spirituosen bei der Aufmachung und Kennzeichnung von anderen Lebensmitteln, den Schutz geografischer Angaben für Spirituosen und die Verwendung von Ethylalkohol und Destillaten landwirtschaftlichen Ursprungs in alkoholischen Getränken sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 110/2008" - oder einfach Spirituosenverordnung.

Hierin sind nicht nur 44 Spirituosenkategorien vom Rum bis zum Metnektar definiert, sondern es ist auch festgelegt, dass eine Spirituose, welche den Beschreibungen der festgelegten Kategorien entspricht, auch deren Namen als Bezeichnung tragen muss. Erfüllt sie keine der Beschreibungen, passt also in keine der festgelegten Kategorien, muss die Spirituose schlicht "Spirituose" heißen. Pisco taucht dort nicht auf, jedoch erfüllen sowohl die chilenischen als auch die peruanischen Herstellungsvorschriften für Pisco alle Kriterien des Obstbrandes, und damit ist Pisco in der EU ein Obstbrand, Traubenbrand, Brand aus Weintrauben, o.ä. und muss auch so bezeichnet werden.

Seit dem „Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Chile andererseits“ von 2002 ist aber auch die Bezeichnung "Pisco" als geschützte Ursprungsbezeichnung für den chilenischen Traubenbrand in der EU anerkannt und auf Iniative Perus aus dem Jahr 2009 findet sich seit 2013 auch die peruanische geschützte Ursprungsbezeichnung in einem Anhang der Spirituosenverordnung, darf also auch für peruanischen Pisco verwendet werden.